In diesem Artikel geht es nicht direkt um Power Pivot. Durchblick durch Daten geht der Frage nach, ob wir Menschen im Unternehmen richtig einsetzen, wenn es um Datenanalysen geht. Der Text erschien auch in der Computerwoche und im Softwareführer 2015.

Auf Schatzsuche im ERP-System

Zeitschriften, Blogs und Online-Magazine informieren: Firmen versäumen, ihr verstecktes Potential in verfügbaren Daten zu nutzen. Gefolgt von der zu oft zitierten Erfolgsgeschichte bei Walmart: Datenanalysen ergaben, dass Bier neben Windeln zu platzieren ist, weil junge Väter nach der Arbeit gerne von ihren Frauen in den Supermarkt geschickt werden. Der Umsatz stieg. Diese nebulöse Erfolgsgeschichte begründet seitdem wahlweise Datenanalyse-Projekte (Business Intelligence, kurz: BI), die (automatische) Suche nach Zusammenhängen in Daten (Data Mining), den Aufbau von zentralen Datenstämmen (Data Warehouse) und die Notwendigkeit, neue und sehr teure Produkte kaufen zu müssen. Da außerdem die Daten jetzt im Warehouse sind, fehlt nur noch Selbstkommissionierung. Richtig: Self Service BI. Insgesamt werden die Daten in jedem Fall groß oder viel besser oder eben noch besser: Big.

Das unternehmensweite Berichtswesen

Kein produzierendes oder handelndes Unternehmen hat zum Zweck, Daten zu analysieren. Daher zieht man externe Firmen heran, die sich mit Datenanalysen auskennen. Aus nachvollziehbaren Gründen verlangen diese ein striktes Vorgehen und wollen wissen:

  • Was sind die Ziele des Unternehmens?
  • Welche Fragen müssen wir uns stellen, um zu wissen, ob wir das Ziel erreicht haben?
  • Welche Kennzahlen geben Antworten auf die Fragen?
  • Wo kommen die Daten für die Kennzahlen her?
  • Wie müssen wir Ergebnisse darstellen, damit sie verständlich sind?

Das Ergebnis: ein sogenanntes Management Information System oder kurz MIS. Schon der Name offenbart, warum wir in einem MIS viele Controlling- und Finanzdaten entdecken. Daten, die das Management interessieren. Vergeblich suchen wir nach Logistikdaten, wie durchschnittliche Pick-Geschwindigkeiten, Lieferzeiten, Liefertreue. Auch das ist Verwaltung, oder eben Management. Nur auf einer weniger abstrakten Ebene. Auf oberster Ebene sind Kennzahlen vergleichsweise einfach. Denn was bleibt, wenn wir alle Details abstrahieren? Ein bisschen Cashflow, ein bisschen EBIT, ein bisschen Deckungsbeitrag. Solche Kennzahlen für ein mittelgroßes Unternehmen unter Zustimmung aller festzulegen, ist schon ein Kraftakt – und dauert auch ein bis zwei Jahre.

Das Problem

Auch wenn ein MIS im Unternehmen etabliert ist, nutzen es die meisten Mitarbeiter nicht. Denn das MIS ist für das Management. Warum muss der Logistikleiter wissen, wie der Wasserstand beim Cashflow ist? Den Kundendienst (also Customer Care) interessieren mehr Aussagen zur Beschaffenheit der eigenen Produkte, ob Kunden mit ihnen zufrieden sind und, ob man immer rechtzeitig geliefert hat. Normalerweise finden wir solche Informationen im MIS nicht. Daher erstellen Mitarbeiter ihre Auswertungen selbst.

Und woher kommen die Daten?

Können Sie sich ein Software-System vorstellen, das keinen Export in Excel anbietet? Unvorstellbar! Selbst wenn Ihr ERP-System eigene Auswertungen anbietet. Es werden nie die Kennzahlen sein, die Sie benötigen. Darüber hinaus sind nicht all Ihre Systeme im ERP-System integriert. Übergreifende Auswertungen können von einem System nicht angeboten werden. Gehen Sie mit offenen Augen durch Ihr Unternehmen und versuchen festzustellen, wie viele Auswertungen aus Ihren Systemen heute manuell in Excel durchgeführt werden. Selbst wichtige Entscheidungen werden auf Basis von Excel-Auswertungen getroffen. Wenige geben das zu.

Es ist wie die Bild-Zeitung. Die bekanntlich auch niemand liest.

Alle Daten im MIS

Wieso überführen wir nicht alle Daten aus unseren Systemen in das MIS? Dazu muss der Leidensdruck groß sein. Am besten von außen durch Auftraggeber oder durch den Gesetzgeber. Erst dann budgetieren wir ein Projekt. Das Vorgehen haben wir oben gesehen.

Erfahrung und Logik zeigen aber, dass je weniger man im Unternehmen abstrahiert, je konkreter man den operativen Bereich betrachtet, desto komplexer werden Prozesse, desto schwieriger werden Definitionen. Dennoch sollen wir Kennzahlen definieren. Damit haben wir den Grundstein gelegt für ein langlaufendes und teures Projekt. Wenn es nicht irgendwann abgebrochen wird, liefert es Ergebnisse, die nicht akzeptiert werden. Oder die Ergebnisse sind schon veraltet, weil die Welt sich gedreht hat seit der Definition der Kennzahlen. Der Excel-Wildwuchs bleibt.

Der echte "Schatz" im Unternehmen

Nehmen wir also mal einen anderen Blickwinkel ein: Nicht die unstrukturierten Excel-Dateien sind das Problem. Ihr Mitarbeiter weiß, wo notwendige Daten herkommen. Er kennt nicht nur das System, häufig sogar den Namen der notwendigen Datenbanktabellen und -felder. Er kennt den fachlichen Prozess, er weiß welche Ausnahmen zu beachten sind. Er hat ein Datenmodell im Kopf, er aggregiert, er grenzt ab, er stellt Ergebnisse dar. Wollen wir auf dieses Wissen verzichten?

Nicht in den Daten steckt der Schatz, sondern im Mitarbeiter.

Investition in Mitarbeiter

Self Service BI ist der Versuch, dieses Thema hoffähig zu machen. Leider mit dem Ergebnis, dass scheinbar jeder alles machen darf. Vergessen wir doch den Namen und die Bilder, die sofort entstehen. Modewörter haben selten einen Mehrwert.

Lösen wir uns vom entweder oder und arbeiten mehr mit sowohl als auch. Dazu müssen wir den Ist-Zustand akzeptieren. Mitarbeiter, die Daten heute auswerten, machen das nicht, weil ihnen langweilig ist. Lassen Sie uns Mitarbeiter fördern und Ihnen richtige Werkzeuge geben. Produkte wie QlickView oder Tableau begegnen diesen Anforderungen.

Microsoft hat mit Power Pivot und Power BI ebenfalls den Markt betreten. Power Pivot wurde in Excel integriert und ist (sofern Excel vorhanden ist) sogar kostenfrei erhältlich. Power BI in der Grundversion ist ebenfalls kostenfrei.

Mit anderen Worten: Sie können nach dem Lesen dieses Artikels anfangen etwas zu verändern. Ohne Investitionsantrag! Wichtig ist, dass die echte Investition nicht im Werkzeug liegt. Sie liegt in der Ausbildung der Mitarbeiter und im Freiraum. Gewährter Freiraum und damit gewährte Zeit, um mit Daten zu spielen, Auswertungen zu testen, Ergebnisse zu falsifizieren und dann zu erneuern.

Ein Wort zu Big Data

Sie haben ein großes ERP-System – mit ziemlich vielen Daten. Zumindest sagen das alle. Google hat große Datenbestände, YouTube auch. Ebenso Firmen, die uns beim Surfen nach Produkten verfolgen, damit wir später auf anderen Internetseiten Werbung zu diesen Produkten erhalten. Für diese Firmen sind Daten Unternehmenszweck.

In ein Excel Power Pivot Datenmodell habe ich Flugdaten importiert (für eine Demonstration). In etwa 125 Millionen Datensätze. Ich erstelle Analysen zu Verspätungen auf Flugstrecken, zu Auslastungen von Flughafen oder Rankings von Fluggesellschaften. Alles auf meinem Laptop. Wären die Datensätze nicht Flüge, sondern Packstücke aus Ihres Versandsystems der letzten zehn Jahre, dann sprächen wir von 1.000.000 Packstücken pro Monat, also 50.000 Packstücken am Tag. Und das war nicht die obere Grenze. Ich denke damit kommen wir hin.

Big Data haben Sie, wenn Sie auch noch Bilder oder Videos auswerten wollen.

MIS – Schnee von gestern?

Das bedeutet nicht, dass wir alle herkömmlichen Ansätze zu Grabe tragen müssen. Wir benötigen weiterhin zentrale, unternehmensweite Datenablagen für firmen- oder konzernweite Analysen. Zusätzlich bieten wir aber jetzt ehemals lokale Auswertungen global an, die sich über Monate oder Jahre in Fachabteilungen bewährt haben. Sehen wir Self Service BI einfach im Sinne von Prototyping.

Jetzt genießen Auswertungen Akzeptanz, weil sie aus dem Fachbereich kommen. Zudem fördern sie den Blick der Mitarbeiter auf die Daten in Systemen: Welche dürfen wir löschen, welche müssen wir archivieren, bei welchen Daten müssen wir aufpassen, wenn wir Änderungen vornehmen, welchen Einfluss hat etwas auf bestehende Analysen? Und durch Ausbildung und Nutzung richtiger Werkzeuge sind sie mit wenig Aufwand global überführbar. Anderswo lassen wir Auswertungen in ihren Abteilungen, beim Team oder bei einer bestimmten Person – und ändern sie dort so häufig, wie es nun mal gefordert wird. Vielleicht werden auch diese einmal global genutzt.

Technik ist vorhanden. Jetzt geht es um Talent.